Die Anzahl der langzeitarbeitslosen Menschen ist gemäß der monatlichen Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der Covid-19-Pandemie zwischen März 2020 und März 2021 um 46% auf 1,03 Mio. gestiegen und liegt aktuell (Stand: Juni 2021) sogar bei 1,06 Mio.[1] Rechnet man die in der Unterbeschäftigtenstatistik erfassten Arbeitslosen zumindest anteilig hinzu, ist sogar von mindestens 1,3 Mio. langzeitarbeitslosen Menschen auszugehen.[2] Von Langezeitarbeitslosigkeit betroffen sind auch weitere Familienangehörige und vor allem etwa 1,85 Mio. Kinder.[3] Sie alle sind #VerliererderKrise.
Die fortschreitende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wird zu einem weiteren Stellenabbau bei geringqualifizierten Arbeitsplätzen führen. Dies wird die Situation der langzeitarbeitslosen Menschen verschärfen.
Viele Menschen in Deutschland haben erlebt, wie sich ein Lockdown anfühlt. Während die Mehrheit nach dem Lockdown wieder viele Freiheiten zurückerhalten, ist für langzeitarbeitslose Menschen und deren Familien das Leben ein #DauerhafterLockdown.
Langzeitarbeitslose Menschen hatten bereits vor der Coronakrise zu wenig Teilhabemöglichkeiten in der Gesellschaft. Ihre Situation hat sich nun noch einmal dramatisch verschlechtert. Jetzt ist die Zeit reif, dass wir mehr Solidarität mit den Menschen am Rande der Gesellschaft zeigen!
Gemäß dem halbjährlichen BA-Bericht zu den Verweildauern im SGB II sind aktuell (Stand: Dezember 2020) sogar 1,04 Menschen zwei Jahre und länger arbeitslos, davon 770 Tsd. bereits vier Jahre und länger.[4] Je länger Menschen arbeitslos sind, desto schwieriger wird es, sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Langzeitarbeitslose Menschen sind zudem besonders davon bedroht, auch bei der digitalen Teilhabe den Anschluss zu verlieren. Dies zeigt sich bereits beim Distanzunterricht in der Coronakrise (kaum Homeschooling möglich), beschränktem Zugang zu digitalen Bewerbungsverfahren, digitalen Verwaltungsprozessen bei Ämtern etc.
534 Tsd. langzeitarbeitslose Menschen sind nach der monatlichen Arbeitslosenstatistik über 45 Jahre alt, davon 283 Tsd. bereits über 55 Jahre alt. Gerade in der Altersgruppe der über 55jährigen gab es im Vergleich zum Vorjahr einen dramatischen Anstieg um 31,9%.[5]
Mit steigendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit der Reintegration in den Arbeitsmarkt ab.
Langzeitarbeitslose Menschen haben ein mindestens verdoppeltes Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen, im Vergleich zu Erwerbstätigen. Dies nimmt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit tendenziell weiter zu. Hinzu kommen vielfältige körperliche Erkrankungen. Die Mortalität ist um das 1,6-fache erhöht.[6]
Arbeitslosigkeit ist nicht nur die Folge, sondern auch die Ursache für Erkrankungen. Eine Anfrage bei der IKK classic ergab, dass die Kosten von Versicherten p.a. mit Beschäftigungsstatus bei 2.125 € liegen, während die Kosten von Leistungsbeziehern nach SGB II bei 3.177 € liegen. Bei 1 Mio. Langzeitarbeitslosen sind das Mehrkosten für das Gesundheitswesen von 1 Mrd. € im Jahr.
Es gibt ca. 100-200 Tsd. langzeitarbeitslose Menschen in Deutschland, die der Arbeitsmarkt selbst nach Jahren gelungener geförderter Beschäftigung ohne Lohnkostenzuschuss nicht aufnimmt.[7] Hinter ihnen stehen häufig Familien mit Kindern, die besonders gefährdet sind, den Anschluss an die Gesellschaft ebenfalls zu verlieren und damit in soziale Isolation und Perspektivlosigkeit geraten.
[1] Quelle: Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt der Bundesagentur für Arbeit, März 2021, S. 16, und Juni 2021, S. 15. Der Bezugsmonat März wurde gewählt, weil sich hier der „Coronaeffekt“ am deutlichsten zeigt.
[2] Die tatsächliche Zahl an arbeitslosen Menschen liegt eigenen überschlägigen Berechnungen zu Daten aus unterschiedlichen Quellen und Zeitpunkten zufolge um mindestens 26% höher als in der Arbeitslosenstatistik angegeben (statt Vieler vgl. hier https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/arbeitslosigkeit). Bei vorsichtiger Näherung kann man diesen „Aufschlag“ auch bei den in der Arbeitslosenstatistik angegebenen Langzeitarbeitslosen anwenden. Vermutlich liegt die Zahl der Langzeitarbeitslosen aber deutlich höher, da ein Großteil der in der Unterbeschäftigtenstatistik erfassten Menschen den Langzeitarbeitslosen zurechenbar sind.
[3] Quelle: Halbjahresbericht: Kinder in Bedarfsgemeinschaften (Monatszahlen), Stand: Dezember 2020.
[4] Quelle: Halbjahresbericht Verweildauern im SGB II (Monatszahlen) der Bundesagentur für Arbeit, Dezember 2020.
[5] Quelle: Tabellen zur Langzeitarbeitslosigkeit (Monatszahlen) der Bundesagentur für Arbeit, März 2021. Der Monat März wurde auch hier zur Sicherstellung einer einheitlichen Datenbasis als Referenzmonat gewählt. Im Juni 2021 lagen die Zahlen bei 554 Tsd. Menschen über 45 Jahre alt, davon 295 Tsd. bereits über 55 Jahre alt.
[6] Quelle: Deutsches Ärzteblatt unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/140497/Gesundheitliche-Situation-von-langzeitarbeitslosen-Menschen.